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Weit geöffnete Türen – um zu fühlen, dass man willkommen ist

Unvorhersehbar aktueller Konfirmandentag der Rödermärker Jugendlichen

Wohl niemand ahnte vor gut einem Jahr, als die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau ihre Jahreslosung für 2022 ausgewählt hat, wie aktuell diese werden würde: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“ (Johannes 6, Vers 37). Selbst als im Vorbereitungsteam der Pfarrer Carsten Fleckenstein und Oliver Mattes und der Gemeindepädagoginnen Elke Preising und Mairine Luttrell das Motto für den Konfitag 22 beratschlagt wurde, war noch nicht daran zu denken, dass Hunderttausende von Ukrainern derzeit vor den Grenzen und Türen in Europa stehen könnten und Einlass erflehen. Tore und Türen waren denn auch das äußere Zeichen für den Aktionstag, an dem sich knapp 30 junge Menschen trafen, die – zumindest nach derzeitigem Stand – an Pfingsten konfirmiert werden wollen. Eine Andacht mit einer inhaltlichen Hinführung zu Beginn, ein Abschlussgottesdienst mit der Präsentation der Ergebnisse zum Schluss, dazwischen fünf frei ausgewählte und in sich geschlossen agierende Arbeitsgruppen hatten das Thema Offene Türen im Mittelpunkt.

Der Theaterworkshop konzentrierte sich auf die biblische Geschichte des Zachäus, der abgewiesen wurde und von einem Baum aus einen Blick auf Jesus erhaschen wollte und genau da von ihm herangeholt und nach seinem Bitten befragt wurde – niemand wird bei Jesus abgewiesen, auch nicht die Ausgesetzten am Rande.

Im Kreativworkshop wurde dem Thema mit Farbe und Ton zuleibe gerückt: liebevoll gestaltete Fußmatten für die Tür und dazu ein von Hand gestalteter Türstopper, der ein Zufallen verhindern möge, wurden zuletzt als sichtbare Ergebnisse in der Kirche präsentiert.

Im „Tür auf–Tür zu-Workshop“ machte Gemeindepädagogin Mairine Luttrell einen öffnenden Vorschlag: „Ihr könnt in der gesamten Kirche alle Türen öffnen – probiert es aus!“ Sehr verwundert fragten die Jugendlichen immer wieder: „Dürfen wir auch hier...?“ So kamen sie bis in den Kirchenkeller und just an den Glocken vorbei bis unter den Wetterhahn unterm Turmdach, öffneten Sakristeischränke ebenso wie Orgelemporen und Putzkämmerchen – ein derartiges Angebot hatten sie bisher noch nie bekommen. Doch es ist auch wichtig Grenzen zu ziehen – was mache ich, wenn mir – gerade in der Pubertät - die Tür vor der Nase zugeknallt wird?

Existentieller wurde dieses Problem im „Gut ankommen-Workshop“, zu dem Uwe Rau, Flüchtlingspfarrer in der Ingelheimer Gewahrsamsanstalt für Ausreisepflichtige (GfA) des Landes Hessen, angereist war und den Jugendlichen lebendig und lebensnah schilderte, was diese Menschen, die hier landen, erwartet. Allein der Einstieg ins Thema mit der Frage: „Benenne drei Dinge, die du bei einer Flucht oder Ausreise spontan mitnehmen würdest!“ bewirkte Sorgenfalten: Papiere – klar; notwendige Medikamente? Und dann? Familienfotos? „Mein Longboard“, lautete eine der Antworten, „denn ich möchte mobil sein...“ Gemeinsam wurde zur Präsentation ein kurzes Theaterstück erarbeitet rund um die Verhandlung eines Geflüchteten, der zurückgeschickt werden soll – nach einer grandiosen spontanen Rede seines „Anwalts“, des Konfirmanden Henry Pussep, lautete das Urteil: Aufschub um drei Monate, danach eine erneute Antragstellung möglich.

Fragen an bekannte Menschen in dieser Gemeinde hatte auch der Konfirmandenkreis, der mit dem Fahrrad Besuche beim Rödermärker Brotkorb, bei Bürgermeister Jörg Rotter, bei der Ärztin und Kirchenvorsteherin Dr. Carmen Löhr, im Haus Morija und beim Theatermann Oliver Nedelmann machte: Machen Sie jedem Menschen Ihre Tür auf? Wo liegen die Grenzen? Wann geht das nicht mehr? Dem überzeugten generellen „Ja!“ folgten in allen Antworten Grenzbereiche, wo Schutz oder Gemeinwohl für einen Stopp sorgten; beim Arzt etwa da, wo eine Entscheidung längerfristig den Gesundheitszustand beeinträchtigen würde. Für Kirche gilt da eher eine größere Offenheit – Kirche ist, soweit es irgend geht, für jeden offen, der Hilfe und Zuwendung braucht, auch etwa der Rödermärker Brotkorb. Gefilmt und zusammengeschnitten zeigten die Antworten am Ende des Abschlussgottesdienstes auf: Ja, ich würde gerne jedem Menschen, egal welcher Hautfarbe, Religion oder Einstellung, meine Tür öffnen, gerade auch als Bürgermeister einer Stadt wie Rödermark. Aber es gibt Grenzen, und natürlich sind die gerade im privaten Bereich da vor allem präsent, wenn ich „nicht auf einer Wellenlänge“ mit dem Gegenüber bin. Ist er mir sympathisch, fällt das alles leichter.  Mit Gitarrenklängen und Liedern wurde der Konfitag, der wohl bei den Jugendlichen viele Gedanken ins Rollen gebracht hat, abgerundet. Nun hoffen sie alle, am Pfingstsonntag in ihren Gemeinden eingesegnet zu werden.

Christine Ziesecke


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