Menu
Menü
X

Gemeindeversammlung

Partner von außerhalb gesucht

Mitgliederrückgang, verringerte Steuern und weniger Pfarrernachwuchs zwingen zur Zusammenlegung

„ekhn 2030“ – unter diesem Thema stehen derzeit hessenweit die Gemeindeversammlungen in den evangelischen Kirchengemeinden der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, so auch am vergangenen Sonntag in Urberach und am kommenden Sonntag in Ober-Roden. „ekhn 2030“ basiert auf einer Präsentation zur letzten Landessynode, in der die Planungen für Veränderungen der nächsten Jahre vorgestellt und ihre Ausführung angestoßen werden. Der Hintergrund: bis 2030 wird mit einem Mitgliederrückgang um rund 20 Prozent gerechnet. Das bedeutet nicht zuletzt, die Kirchensteuereinnahmen werden sich um rund 140 Millionen Euro verringern. Aufgrund des Generationenwandels wird auch die Anzahl der Pfarrstellen um ein Drittel abnehmen. Unter diesen Voraussetzungen ist die notwendige Bauunterhaltslast zu hoch. Zudem hat die Verwaltungsarbeit zugenommen. „Im Jahr 2030 werden mehr als drei Viertel der Kirchengemeinden der EKHN weniger als 1600 bis 1800 Mitglieder haben, die derzeit für eine ganze Pfarrstelle nötig sind.“ Der logische Schluss aus den vorgestellten Zahlen ist, dass sich Gemeinden in sogenannten Nachbarschaftsräumen zusammenschließen und in regionalen und multiprofessionellen Teams organisieren sollten, ähnlich dem pastoralen Weg in den katholischen Gemeinden.

So weit, so gut: in Rödermark läuft eine engere Zusammenarbeit seit 2005 harmonisch und in immer stärkerem Maße bis hin zum derzeitigen vertraglich festgehaltenen „Ev. Kooperationsraum“. In diesem Sinne arbeiteten Pfarrer und Kirchenvorstände beider Gemeinden unbesorgt auf die Erstellung des Regionalplanes Ende diesen Jahres hin – bis zur letzten Landessynode, wo doch recht überraschend neue Richtzahlen vorgegeben wurden: So sollen sich diese Nachbarschaftsräume in Größen zwischen 4500 und 7500 Gemeindegliedern bewegen – was bedeutet, dass Ober-Roden mit derzeit 2580 und Urberach mit 2039 (und den bis 2030 zu erwartenden Reduzierungen auf 2064 und 1623) Gemeindegliedern gemeinsam nicht ausreichen, sondern sich mit einem weiteren Partner arrangieren müssen, um „bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit anderen Gemeinden zusammenzuarbeiten“.  Vorgeschlagen sind dabei Partnerschaften mit Rodgau einerseits oder mit Dietzenbach und dem noch weiter entfernten Heusenstamm, mit denen mittlerweile auch schon getrennte Gespräche geführt wurden. Aus den Gesprächen wurde klar, dass alle nun mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind: schon gewachsene Verbindungen, Sorgen vor Verlust von Hauptamtlichenstellen von Pfarrerinnen und Pfarrern über gemeindepädagogische Mitarbeiter bis zu Kirchenmusikern, die prozentual umgelegt, aber natürlich auch abgegeben werden müssen. Die derzeit 40 Pfarrstellen im Dekanat werden sich bis 2030 auf 29 reduzieren Pfarrer Oliver Mattes und die Kirchenvorstände gaben bei der Gemeindeversammlung auch zunächst gar nicht so offenkundige Probleme zu bedenken: wie wird etwa die regionale Anbindung, die für gemeinsame Gottesdienste und Veranstaltungen nötig sein wird, am einfachsten zu bewältigen sein (Ober-Röder Gemeindeglieder kommen leichter nach Rodgau, Urberacher nach Offenthal etwa, das aber wiederum in die westliche Richtung orientiert ist). Das nächste große Problem, das schrittweise aktuell werden wird, ist die gemeinsame Nutzung von Gebäuden und die Neuorganisation der Verwaltungsarbeit, die automatisch eine Reduzierung der Bauten ebenso wie der Sekretariatskräfte zur Folge haben muss.

Dekan Steffen Held, der in der Gemeindeversammlung der Petrusgemeinde zu Gast war, betonte, dass die erhobenen Zahlen tatsächlich schlimmer als gedacht sind. Allerdings stehe dem insgesamt erwarteten Mitgliederrückgang von 26 Prozent hier in der Region nur 4,1 Prozent gegenüber. „Sie haben alle viele Jahre lang tolle Arbeit geleistet, und denn werden es immer weniger Menschen, auch bei den Anfängern zum Pfarrerstudium.“ Ein neuer Nachbarschaftsraum sei jedoch nicht gleichbedeutend mit einer neuen Gemeinde, sondern es wird verschiedene Möglichkeiten geben, diese Nähe zu praktizieren – das bleibt jeden Gruppierung selbst überlassen.“ Zusammenarbeit praktizieren im Regionalen, Im Inhaltlichen und im Rahmen von Sozialräumen – „und das ist eines der großen Fragezeichen: sie enden für mich persönlich stets an der Ortsgrenze“, zweifelt Pfarrer Oliver Mattes am Sinn dieser Regelung. Der derzeitiger Stand der Gespräche: die Kirchenvorstände von Ober-Roden, wo die Gemeinde am morgigen Sonntag die aktuellen Pläne vorgestellt werden, und von Urberach beraten und stimmen sich weiter ab.

In der Diskussionsrunde im Gemeindesaal blieb es nach den Ausführungen von Moderator Daniel Archinal wie auch von Pfarrer Oliver Mattes sehr ruhig - die Menge der Zahlen und die Verarbeitung der Fakten wird wohl noch einige Zeit zum „Verdauen“ in Anspruch nehmen. Zudem wirkt der Zeitplan bis 2030 noch recht weit weg. „Wenn man jedoch bedenkt, dass wir bei der nächsten Dekanatssynode Mitte Oktober einen Regionalplan vorlegen und beschließen müssen, sind wir sehr unter Druck“, rundete der Moderator die Versammlung ab. Nach endgültigem Beschluss durch die Synodalen Ende 2023 „organisieren sich die Kirchengemeinden eines Nachbarschaftsraumes innerhalb von drei Jahren (bis 31.12.2026) und ‚regeln‘ ihre Form der Zusammenarbeit“, heißt es dazu in der Präsentation der EKHN.

Mit greifbareren und bereits beschlossenen Punkten endete die Gemeindeversammlung: das für den Gemeindebus als Ersatz georderte Elektroauto samt Wallbox wird voraussichtlich im Dezember geliefert. Beschlossen (ggf. auch ohne Zuschüsse) ist auch die Eindeckung der zweiten Seite des Gemeindehausdaches mit einer Photovoltaikanlage – „das ist unser Zeichen in die Zukunft! Ich finde das toll, dass der Kirchenvorstand so entschieden hat“, freute sich Pfarrer Oliver Mattes.

Christine Ziesecke


top